2005 / 2006

Kapverden – Teufelsinseln – Tobago – Grenada

Samstag, 10. Dezember 2005

Position:  N 13° 59’, W 30° 36’
Kurs: 250°
Geschw. über Grund: 5 Kn. (unter Maschine)
Wind :  NE 2-3
Temperatur : 30° C

Ihr Lieben,

die erste Woche unseres Urlaubs ist schon beinahe geschafft. Bis heute haben wir 470 Seemeilen zurückgelegt und damit bereits ein Viertel unserer Strecke bis Kourou hinter uns gebracht. Die Stimmung an Bord ist nach wie vor super, was uns allmählich auf den Geist geht.
Hier der Versuch einer Zusammenfassung, in der Hoffnung, dass uns die Technik nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht.

Samstag, 03.12./ Sonntag 04.12.05, Ankunft auf Sal um 2.00 Ortszeit (MEZ minus 2 Stunden). Äußerst zähe Abfertigung bei der Einreise, Olafs Angelrute ist nicht angekommen. Niemand, bei dem der Gepäckverlust gemeldet werden könnte. Nachfragen bei den wenigen noch Anwesenden, die den Eindruck erwecken, zum Flughafenpersonal zu gehören, werden mit einem müden Schulterzucken beantwortet. Dann gibt’s eben keinen Fisch in den nächsten Wochen. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn unsere Kulturbeutel verschütt gegangen wären. Kulturlos in Richtung Neue Welt – eine Katastrophe!
Unser Freund Heiner, Skipper und Eigner von „Dörtita“, unserem schwimmenden, hochseetüchtigen Heim für die nächsten sechs Wochen, erwartet uns am Flughafen. Mit zwei Taxen fahren wir nach Palmeira, wo „Dörtita“ in einer Bucht mit knapp dreißig weiteren Schiffen vor Anker liegt. Zwei Fuhren mit dem Dinghi sind nötig, um uns und die voluminösen Seesäcke überzusetzen. Unser Skipper schwingt mit aller Kraft die Paddel und bringt die müde Crew schnell und dennoch halbwegs trocken an Bord. Gepaddelt werden muss, weil der Außenborder einige Tage zuvor abgesoffen ist und sich nicht wieder auf Touren hat bringen lassen. (Hätten wir geahnt, dass er die Paddel während des Törns zu unserem Nachteil zweckentfremden würde, wären wir gar nicht erst an Bord gegangen. Dazu später mehr). Völlig erschöpft fallen wir in unsere Kojen.

Sonntag, 04.12.05, abhängen und am Nachmittag mit Carlos und Elisabeth zum Strand. Die beiden leiten den TO-Stützpunkt (TO = Trans Ocean, eine Organisation, die Langfahrtsegler betreut) auf Sal, urige Leute, aber sehr nett. Unsere Anker-Nachbarn sind mit von der Partie, Sabine und Heinz von „Magic Life“ und Maren und Uwe von „Heavy Metal“.
Nach einer abenteuerlichen Fahrt mit zwei Pickups über die Mondlandschaft Sals – wir haben noch nie so ein karges Eiland gesehen – landen wir an einem idyllischen Stück Strand, wo ein paar Einheimische, darunter ein Fischer, uns bereits mit gegrilltem Fisch und ein paar Flaschen Wein erwarten. Vor einer sehr einfachen Hütte, unter behelfsmäßig abgespannten Plastikplanen als Schutz gegen die allenthalben sengende Sonne, haben sie einige Plastikstühle und Tische aufgestellt. Unglaublich, wie freundlich die Leute zu uns sind, trotz (oder gerade wegen?) der unüberwindbaren Sprachbarrieren. Elisabeth hat einen Salat und Rote Grütze zum Nachtisch beigesteuert, so dass wir nicht ganz mit leeren Händen dastehen. Wir schwelgen, versuchen uns irgendwie zu verständigen und haben viel Spaß. Und dann wagen wir noch den ersten Sprung in die atlantischen Wellen. Der Hammer ist: entgegen unseren Erwartungen kostet der ganze Spaß nicht einmal etwas. Wir sind davon ausgegangen, die Leute wollten ihr geringes Einkommen aufbessern, indem sie den wenigen Touris eine kulinarische Abwechslung bieten. Pustekuchen!

Kapverden
Montag, 05.12.05, vorbereiten auf unsere Abfahrt, in erster Linie Wasser und Diesel bunkern und Lebensmittel einkaufen. Das bedeutet, mit dem Dinghi 100 Mal an Land paddeln und unsere 20- und 5-Liter-Kanister, sowie zahlreiche 1,5-Liter-Flaschen an der Dorf-Wasserzapfstelle füllen, durch’s halbe Dorf zum Hafen schleppen, das Dinghi bis zur Oberkante voll packen, wieder zurück zum Schiff paddeln und Behälter für Behälter in die Frischwassertanks füllen, die immerhin 500 Liter fassen (zum Glück sind sie nicht ganz leer). Zeitraubend und schweißtreibend. In den bescheidenen Supermärkten können wir uns mit den nötigsten Lebensmitteln eindecken. Kartoffeln, etwas frisches Gemüse, Nudeln, Mehl und Eier. Sogar ein paar Kekse gibt’s. Mann sind wir verwöhnt! Da wir nicht ganz zufrieden sind mit der Ausbeute, machen wir uns per Sammeltaxi auf den Weg in den nächsten größeren Ort, namens Espargos. Dort tobt das Leben. Und wir bekommen fast alles, was das Herz begehrt. Olaf und ich nutzen die Zeit für einen Abstecher zum Flughafen, in der Hoffnung, jetzt jemanden anzutreffen, der uns zum  Verbleib der vermissten Angelrute was sagen kann. Fehlanzeige. Abends laden wir Carlos und Elisabeth zum Essen ein. Bescheiden aber nett. Und dann, nach unserer späten Rückkehr, beschließt die Crew, in meinen Geburtstag hineinzufeiern. Trotz der Müdigkeit.
Es ist wunderschön! Meine zuckersüße Frau überrascht mich mit einem Fotoalbum, in dem meine Familie und meine Freunde sich verewigt haben, mit Bildern und originellen Glückwünschen. Dank Eurer aller Mitarbeit ist ein unvergessliches Stück Erinnerung entstanden, an dem ich in den nächsten fünfzig Jahren bestimmt noch viel Freude haben werde. Nochmals 1000 Dank!

Dienstag, 06.12.05, weiter Wasser bunkern und noch mehr Lebensmittel einkaufen. Auch ein paar Kanister Treibstoff finden mühsam ihren Weg in den Schiffstank. Kurt trägt jetzt Jeans der Marke „Diesel“, sein T-Shirt vegetiert fortan in der Backskiste bei den Putzlappen vor sich hin.
Am Nachmittag geht’s endlich los. Um 15.00 Ortszeit (= 16.00 Uhr UTC = 17.00 MEZ) lichten wir den Anker und brechen auf zu unserer Atlantiküberquerung.
Da die meisten von Euch nur einen Teil der Truppe kennen, möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen und Euch den müden Haufen einmal vorstellen (Reihenfolge nach Alter aufsteigend):

 

Olaf K., unser Segel-Azubi (so tituliert Kurt ihn jedenfalls immer), ist der einzige, der akzentfreies Sächsisch zu sprechen im Stande ist. Seine verzweifelten Bemühungen, uns seine Muttersprache nahe zu bringen, haben immerhin dazu geführt, dass wir bei elementaren Segelkommandos keines Dolmetschers mehr bedürfen. Was er mit „Säschel sätzen“ meint, hat selbst der Skipper mittlerweile begriffen. Wegen gefühlter latenter Diskriminierung und der ständigen Annäherungsversuche seines Bettgenossen Kurt (die beiden teilen gezwungenermaßen eine Kabine) fordertOlaf immer häufiger die Errichtung eines antifaschistischen Schutzwalls in der Schiffsmitte. Ansonsten lebt er seine sublimierten Aggressionen dadurch aus, dass er eine Angelschnur nach der anderen ausbringt. Der Erfolg lässt auch nicht lange auf sich warten. Eine etwa 95,7 g schwere Dorade, die sich zufällig in den Köder an einer der 37 nachgeschleppten, bordeigenen Angelschnüre verbeißt, ist der verdiente Lohn eines langen Tages Mühsal.
Babs, die einzige Dame an Bord, geht dem vorherrschend dummem Männergesabbel geschickt aus dem Weg, indem sie täglich mindestens einen Roman verschlingt – allein auf dem Vorschiff. Womit sie sich selbst zur stolzen Galionsfigur unserer Rennyacht gemacht hat. Fortan trägt sie den Spitznamen „Galli“, nicht nur wegen ihrer exponierten Stellung. Sollte es bei Fehlverhalten der Mannschaft doch einmal nötig sein, einzugreifen, weiß sie als junge, engagierte Pädagogin selbstverständlich, wie sie mit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkten Rabauken umzugehen hat. Ein strenger Blick genügt – und der Haufen schweigt betreten. In besonders schweren Fällen greift sie zu ihrem schwersten Geschütz: ein mehrfach ausgerufenes „Hallo – hallo – hallo“ verfehlt seine Wirkung nie. Als Nebeneffekt genießt Peter zunehmend die Achtung und das Mitleid seiner männlichen Kumpane.

Kurt, unser Smutje, drängt uns rund um die Uhr seine Kochkünste auf. Von erlesenen Vorspeisen über exotische Aufläufe bis hin zu Apfel-Zimt-Crêpes müssen wir widerspruchslos alles schlucken, was auf den Tisch kommt. Und das nicht zu knapp. Dabei haben wir solche Sehnsucht nach Konserven und Suppentüten. Doch Kurt kennt keine Gnade. „Wer nicht spurt, spürt Kurt,“ ist sein allseits gefürchtetes Motto.
Peter, ein aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nur noch bedingt einsetzbarer Leichtmatrose, glaubt immer noch, seine Sehnsucht nach unendlicher Weite und Freiheit auf dem Atlantik stillen zu können – am liebsten dösenderweise im nachgeschleppten Dinghi. Sei es mangels intellektueller Fähigkeiten oder aufgrund angeborenen Starrsinns – zu der Einsicht, dass dieser Traum unter der Knute von Babs immer eine Illusion bleiben muss (s.o.), wird er zumindest auf diesem Törn wohl nicht mehr gelangen.
Heiner M., unser Skipper, zeichnet sich einerseits durch einen äußerst rüden Umgangston – wie z.B. „Meine Herren, wir haben noch eine Dame an Bord“ – und andererseits eine nervtötende, weil übertrieben penible Kommandosprache aus. „Lasst fallen, dat Ding“ heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass der Anker auf den Grund abgesenkt werden soll. Damit könnte man ja noch leben, wenn er nicht jedem seiner gebrüllten Kommandos mit kräftigen Paddel-Hieben Nachdruck verleihen würde.

Wir sind noch nicht lange unterwegs, da turnt bereits eine Schar Delphine um unser Boot herum. Sie scheinen Spaß an ihrem Spielchen mit dem Plastikschiffchen zu haben. Olaf ist ganz aus dem Häuschen.
Der Wind aus NE ist gut, wir rauschen mit sechs Knoten der Dämmerung entgegen. Die Nachtwachen werden eingeteilt und wer müde ist, versucht ein bisschen zu schlafen. Die anderen bleiben an Deck. Es ist einfach zu aufregend in der ersten Nacht auf dem endlosen Meer.

Kapverden

Kapverden

Kapverden

Mittwoch, 07.12., wir fangen den ersten Fisch, nach Heiners Überzeugung eine Golddorade. Fliegende Fische fliegen in Scharen dicht über die Wasseroberfläche. Nachts sichten wir in der Ferne ein anderes Schiff, der Beleuchtung nach wohl ein größeres Maschinenfahrzeug. Aus dem Kurs schließen wir auf einen Fischer.

Atlantik

Atlantik
Donnerstag, 08.12., angesichts der ruhigen See wagen wir es, den am Heck an einem langen Rohr montierten Windgenerator abzubauen und zu zerlegen. Das Miststück dreht sich wie der Teufel, produziert aber lediglich eine Spannung von max. 10 V. Das reicht nicht, um die Batterien zu laden. Leider können wir keinen Fehler finden. Der Himmel ist ziemlich bewölkt, so dass auch die am Heck angebrachten Sonnenkollektoren nur bescheidene Leistung bringen.
Wenigstens fangen wir wieder eine kleine Dorade.

Freitag, 09.12., Nachts zwei Schiffe gesichtet, Batterien völlig entleert, mit Sonnenenergie wieder soweit aufgeladen, dass Maschine gestartet und Strom produziert werden kann. Dorade gefangen, Flaute, bedeckter Himmel.

Samstag, 10.12,, weitgehend Flaute. Zahlreiche Versuche, durch unterschiedlichen Trimm und Setzen diverser Vorsegel, wie Gennaker und Spinnaker, den Kahn wieder in Schwung zu bringen, bleiben von Erfolg verschont. Mit solchen Experimenten sind wir fast den halben Tag beschäftigt. Doch mehr als müde zwei Knoten Fahrt sind nicht drin. Also ist Badetag angesagt. Das Atlantikwasser ist tiefblau und fast zu warm, um sich zu erfrischen. Dennoch tut’s angesichts der heute enormen Hitze von etwa 30° saugut, ein bisschen in dem klaren Nass zu plantschen. Um uns herum endlose Weite, unter uns unvorstellbare Tiefe (beinahe 6000 m!).
Jeder darf (muss) sich von oben bis unten einseifen und auf der Badeplattform mit Süßwasser vom Salz befreien, bevor es wieder an Bord geht.
Olaf fängt schon wieder zwei Doraden. Das Abendessen ist gerettet.
Dem Flautenproblem begegnen wir durch eine neuartige Rundumbesegelung: alles, was irgendwie nach Segeltuch aussieht, hängt jetzt draußen. Sieht zwar bescheuert aus, aber immerhin düsen wir nun mit 5 Knoten Richtung Kourou.
Babs findet die Nachtwachen ziemlich blöd. Peter nicht. Ok, ermüdend ist’s schon, nachts stundenlang in die Dunkelheit zu starren. Aber auch berauschend.
Fortsetzung folgt.

Sonntag, 11.12., die halbe Nacht unter Maschine gefahren, weil sich ab ca. 2.30 Uhr kein Lüftchen mehr regt. Das bedeutet leider auch, dass an Schlaf neben dem röhrenden Motor nicht mehr zu denken ist. Dafür gibt’s als Entschädigung ein fürstliches Sonntagsfrühstück mit gekochten Eiern. Anschließend ist Segelsetzen angesagt: erst das Groß, dann den Gennaker. Und siehe da, für etwa zwei Stunden können wir mit 5 Knoten durch die Wogen pflügen. Jetzt röhrt wieder der alte Schwede. Kurt serviert soeben frisch gebackenes Brot.
Zum Nachmittagstee wird Kuchen gereicht. Schade, dass nicht jeden Tag Sonntag ist.
Leider will heute kein Fisch anbeißen. Ruhetag eben.
Auf der Suche nach dem Fehler in der Windkraftanlage stellen wir fest, dass eine Batterieklemme völlig zerbröselt ist. Die Batterien befinden sich unter der Koje in der Achterkabine backbord. Macht echt Spaß, bei 30° und ständigem Rollen des Schiffes mit dem Kopf in der Kiste zu hängen und eine neue Klemme zu montieren. Zwar können wir mangels Wind nicht feststellen, ob Alex (so heißt der Windgenerator) jetzt Strom einspeist, aber das gesamte Bordnetz wartet plötzlich mit nie da gewesener Stabilität auf. Immerhin.

Montag, 12.12., der Wind hat leicht gedreht auf E/SE und schiebt uns mit 4-5 Knoten weiter Richtung Kourou. Der Skipper brüllt soeben aus dem Bauch des Schiffes „Leute, das erste Drittel haben wir geschafft!“ In der Tat liegen schon 633 Seemeilen hinter uns, bei einem Etmal zwischen 90 und 130 Meilen. Das ist nicht viel, so wenig Wind ist allerdings auch ungewöhnlich für diese Region. Andererseits bedeutet das natürlich entspanntes Segeln und ruhiges Schlafen.
Olaf K. berichtet aufgeregt von seinen nächtlichen Abenteuern während der Frühwache von 4.00 – 7.00 Uhr Ortszeit. Zahllose Sternschuppen habe er gesehen, eine davon mit einem Schweif, der sich über den halben Sternenhimmel gezogen habe. Am Kopf eine strahlende Kugel, direkt dahinter ein Feld zahlreicher kleiner Kugeln, ähnlich einer durch den Raum gleitenden Wunderkerze. Wir können ihn kaum wieder beruhigen.
Auf eindringlichen Wunsch von Babs fördert die Meerwasserentsalzungsanlage schon jetzt trinkbares Wasser in die Frischwassertanks, obwohl die Vorräte noch ausreichend sind. Anschließend wird das Wasser aus den Tanks durch einen Aktivkohle-Filter gepumpt und in Plastikflaschen gefüllt. Sie ist nun mal vorsichtig, unsere Galionsfigur. Auffällig ist, dass immer alle tun, was die Dame wünscht.

Dienstag, 13.12., über die Wellen geflogen sind wir heute Nacht. Und auch jetzt machen wir beinahe 7 Knoten Fahrt über Grund. Herrlich! Nur der Preis dafür ist hoch. An Schlaf ist nicht zu denken, die See ist sehr kabbelig, die Wellen scheinen höher zu werden. Tagsüber ist das wunderschön, nachts kullert man nur durch die Koje.
Leider tut’s der Windgenerator noch immer nicht, der Himmel ist bewölkt und so werden wir wieder ein Energieproblem haben, wenngleich das Bordnetz (nach dem Austausch der Batterieklemme) tatsächlich stabiler geworden ist.
Olaf K. ist frustriert, weil er einfach keinen Fisch mehr fängt. Hin und wieder beißt zwar mal einer an, aber irgendwie reißen die Viecher sich dann, kurz bevor sie an Bord gehievt werden, wieder los. Auch sein neuer Spitzname – „Angelsachse“ – kann ihn da nicht aufmuntern.
Am frühen Nachmittag ziehen Regenwolken auf. Wer ein Duschbad braucht, schnappt sich Seife und kommt aufs Vordeck. Kaum ist die Seife am Körper, hört der Regen auf. Die letzten Tropfen, die am Vorsegel runterlaufen, reichen Babs soeben, um ihre Haare auszuspülen. Der Rest der Mannschaft übt sich in Geduld und hofft auf weiteren Regen. Pustekuchen! Also wird das kostbare Trinkwasser genommen, um die Körperpflege zu vollenden. Kaum sind alle gereinigt und getrocknet, fängt’s richtig an zu schütten. Natürlich kommt gleichzeitig ordentlich Wind auf, dummerweise dreht er auch noch von NE auf S, so dass wir Probleme mit unseren ausgebaumten Vorsegeln bekommen, wollen wir unseren aktuellen Kurs von 250° halten. Eine Weile geht’s erstaunlich gut.
Gegen Abend fängt Olaf endlich wieder eine prächtige Dorade. Morgen stehen Sushi auf dem Speiseplan.
In der Nacht dreht der Wind weiter und die Segelführung muss grundlegend geändert werden. Da es sehr aufwändig wäre, die Backbordfock ganz abzuschlagen, lässt Heiner uns die beiden Vorsegel auf Steuerbord übereinander ziehen – unkonventionell, jedoch offensichtlich praktikabel. In das Groß wird das dritte Reff eingebunden und schon geht die Post ab, relativ hoch am Wind. Irgendwann in der Nacht dann wieder völlige Flaute. Nach drei Stunden unter Maschine beginnt es wieder ordentlich zu blasen, bei sieben Beaufort düsen wir mit 8 Knoten durch die Wellen, dem Morgen entgegen.
Das Dumme ist, dass wir im Moment kaum Schlaf finden.

Mittwoch, 14.12., Olafs Geburtstag. Unser Angelsachse wird 39. Angesichts der rauen See sieht es am Morgen allerdings so aus, als müsste er auf einen Geburtstagskuchen verzichten. Es regnet und das Schiff geigt und rollt, dass es eine wahre Freude ist. Die Luft unter Deck steht. Die Stimmen derer, die da meinen, es reiche langsam, werden lauter. Dabei haben wir schon fast die Hälfte geschafft.
Die „tropische Störung“ ist vorüber, der Wind hat deutlich nachgelassen, kommt aber immer noch aus S, auf den Nordostpassat ist eben auch kein Verlass mehr.
Am Nachmittag kommt Olaf doch noch zu seinem Geburtstagskuchen: Unser Skipper erfreut ihn und den Rest der Crew mit selbstgebackenen Muffins. Bei strahlendem Sonnenschein, ruhiger See und lauen Winden aus SW sitzen wir an Deck und feiern.
Seit gestern haben wir einen blinden Passagier an Bord. Ein vom langen Reisen offensichtlich erschöpfter Basstölpel (als solchen haben wir ihn jedenfalls identifiziert) hat sich auf dem Vordeck niedergelassen und scheint sich dort sauwohl zu fühlen. Jedenfalls scheißt unser neues Haustier fröhlich vor sich hin und verlässt sein Plätzchen – demonstrativ genervt – nur beim Segelwechsel oder überkommender See. Nach ein paar Runden landet es dann wieder an Deck und putzt sich stundenlang. Da wir uns mit Vögeln nicht auskennen, werden seit gestern unentwegt Fachbücher gewälzt und heiße Diskussionen geführt. Mal sehen, was dabei rauskommt.
Der Abend findet einen würdigen Ausgang mit Sushi. Köstlich. Leider muss der alte Schwede wieder ran. Die Flautenwahrscheinlichkeit auf dem Atlantik liegt bei 0{05efa92186ddbf4793c971987d1a499c494cad0d9b443eae3f70c6b3bfa020b7}, liest Heiner mir gerade vor.
Gute Nacht.

Donnerstag, 15.12., wir haben das Bergfest hinter uns! 950 Seemeilen sind jetzt noch zu bewältigen, bevor wir wieder sicheren Boden unter die Füße bekommen. Meinetwegen könnten es auch noch 9500 sein. Es scheint diesbezüglich allerdings divergierende Meinungen an Bord zu geben. Einigkeit herrscht zum Glück in der Überzeugung, dass es nicht sinnvoll wäre, jetzt abzubrechen.
Endlich hat er uns wieder eingeholt, der heiß ersehnte Nordostpassat. Seit heute Nacht 3.00 Uhr UTC schiebt er uns mit beständiger Brise aus NE durch den Atlantik. Zwar nicht rasend schnell, 4-5 Knoten zeigt die Logge, aber eben sehr konstant. Über dem Cockpit dient jetzt ein altes Laken als zusätzlicher Sonnenschutz. Die Hitze nimmt zu, je weiter wir gen Süden kommen. Komisch.
Heiner serviert Kaiserschmarrn, anschließend gibt es Tee.
Olaf fängt schon wieder einen Fisch. Diesmal hängt ein Waahoo an der Angel, gebratener Fisch mit Reis steht heute abend auf dem Speiseplan.
Splitterfasernackt auf dem Vordeck liegen, Musik hören (der Refrain des aktuellen Titels lautet: erst wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß), dem Rauschen der Wellen lauschen, den Müll im Kopf über Bord schmeißen – eben die Seele baumeln lassen, so habe ich mir die Atlantiküberquerung vorgestellt – nein so schön eigentlich nicht!

Freitag, 16.12., während der Nachtwache, gegen 4.00 Uhr, zerrt plötzlich ein mächtiger Brocken an einer der ausgebrachten Angelschnüre. Ich habe schon Schwierigkeiten, ihn alleine ans Schiff heranzuziehen und wecke Olaf, der im Nu an Deck erscheint. Gemeinsam versuchen wir die riesige Dorade, als solche identifiziert sie Olafs geschultes Auge trotz Dunkelheit, an Bord zu hieven. Doch dann passiert, wie schon so manches Mal, das Malheur: in letzter Sekunde befreit sich das Tier, schon auf Höhe der Seereling, durch verzweifeltes Zappeln vom Angelhaken. Glück für den Fisch – Pech für uns. An dem hätten wir uns sicher mehrere Tage laben können.
Der Nordostpassat weht weiterhin konstant mit 4-5 Beaufort. Wir kommen gut voran.
Unser größtes Problem ist der Schlafmangel. Die See ist so unruhig, dass man in der Koje ständig hin- und herrollt. Und es wir immer heißer.
Am Vormittag sichten wir seit Tagen das erste Schiff, backbord zieht in großer Entfernung ein Frachter mit Kurs SE an uns vorbei.
Abends sitzen wir, die gesamte Mannschaft, stundenlang im Cockpit und sabbeln dummes Zeug. Strammer Wind aus NE lässt das Schiff nur so über die Wogen fliegen. Weit und breit nur Meer, nichts als Meer. Herrlich!

Samstag, 17.12., ein grauer Morgen, der einem die Lust nimmt, aus der Koje zu kriechen. Wenigstens haben wir alle mal wieder etwas schlafen können.
Frühstück findet unter Deck statt. Hitze, Feuchtigkeit, Mief und ständiges Rollen des Schiffes schaffen ein Klima, bei dem Babss Appetit sich in Grenzen hält. Sie verharrt vorläufig in der Horizontalen.
Energie wird mal wieder knapp. Der Himmel ist schon geraume Zeit bedeckt, sodass auch von den Sonnenkollektoren kaum noch Leistung zu erwarten ist.
16.00 Uhr. Schon wieder ein riesiger Fisch an der Angel. Kurz bevor wir ihn an Deck ziehen können, kann er sich befreien. Wir werden wegen Dummheit noch verhungern müssen.

Sonntag, 18.12., bereits gegen 0.00 Uhr beginnt es zu regnen und am frühen Morgen schüttet es erbärmlich. Die Nachtwache ist durchgeweicht und beschwert sich beim Skipper über das besch… Wetter. Konfrontiert mit den ersten Regressforderungen, weiß der sich nicht anders zu helfen, als zu den Paddeln zu greifen. Die Crew spurt wieder, aber gleichzeitig klart der Himmel auf. Es lohnt sich doch, ab und zu mal zu meckern.
Während der Frühstückszubereitung leistet sich Peter ein kleines Malheur, das ihn beinahe seinen Kopfschmuck kostet. Um einen Topf aus dem Schrank unter der Spüle zu angeln, kniet er sich vor den Herd und kramt im Chaos. Währenddessen kocht auf dem Gasherd das Teewasser fröhlich vor sich hin. Dummerweise lässt Dörtita sich just in dem Moment von einer kräftigen Böe flachlegen. Eigentlich kein Problem, denn der Herd ist selbstverständlich halb-kardanisch aufgehängt und schwingt entsprechend gegen. Da der Wasserkessel aber randvoll und die Signalpfeife bereits entfernt ist, ergießt sich eine nicht unerhebliche Menge kochenden Wassers über das Haupt des betagten Leichtmatrosen.
Sein Skalp hängt jetzt zum Trocknen und Regenerieren am Heckkorb.
Dann endlich gelingt der große Fang: einen knapp 1,10 m langen und beinahe 7 kg schweren Waahoo bringen wir dieses Mal, dank ausgefeilter Technik, sicher an Deck.
Kurt zaubert daraus phantastisch schmeckende Steaks. Für morgen wird das Filet in der Kühlbox verstaut und übermorgen kommt Fischpfanne auf den Tisch.
Und es regnet und regnet und regnet…
Der Wind dreht mal wieder auf  SE, wir segeln fortan mit halbem Wind.
Unter Deck liegt die Luftfeuchtigkeit bei 80{05efa92186ddbf4793c971987d1a499c494cad0d9b443eae3f70c6b3bfa020b7}, die Temperatur pendelt um 29°-30°. Alle Luken sind geschlossen. Wann haben wir das letzte Mal geduscht?

Montag,19.12., der Tag beginnt, wie der Vortag endet: mit einer gespenstischen Fahrt durch absolute Dunkelheit. Die Nacht ist so schwarz, dass man die Hand vor den Augen nicht sehen kann. Kein Lüftchen regt sich, der alte Schwede müht sich redlich, was auch unseren Batterien zugute kommt. Selbstverständlich lassen wir das Radargerät laufen, dennoch bleibt ein seltsames Gefühl.
Bei schwachen Winden am frühen Nachmittag wird mal wieder ein Badestopp eingelegt. Kaum sind wir im Wasser, passiert uns von steuerbord voraus mit Fahrtrichtung S ein Frachter im Abstand von einer knappen Seemeile.
Anschließend frönen wir der Völlerei: Fischfilet in Knoblauchbutter gebraten, Vanillepudding mit Birnen, selbstgebackener Kuchen zum Tässchen Tee – und das alles wird aufgetischt im Cockpit, bei strahlendem Sonnenschein, glatter See und moderaten Winden um 3-4 Beaufort. Da sollen die Landratten nicht neidisch werden?
Weniger Neid dürfte aufkommen angesichts der Plackerei, mit der uns der Skipper jeden Tag zu vermiesen weiß: Segelwechsel im Fünfzehnminutenrhythmus, Rumpfreinigung (des Bootes!), Reparatur des maroden Seelenverkäufers an allen Ecken und Enden (z.B. Außenborder, Windgenerator usw.), Küchendienst, Bäder reinigen, Sprayhood flicken, um nur einige der ständig zu bewältigenden Aufgaben zu nennen. Dabei beschleicht einen das ungute Gefühl, dass viele der sogenannten Reparaturen gar nicht zu bewerkstelligen sind, weil schlicht und ergreifend die erforderlichen Teile fehlen. Die meisten dieser Ersatzteile und Wartungssets – so wird gemutmaßt – fristen wohl, vorausschauend schon vor Jahren auf Lager gelegt, in Heiners Keller ein trauriges Dasein. Was der natürlich weiß, aber eben für sich behält. Wenn die komplizierten Gerätschaften zerlegt und wieder zusammengebaut sind, verrät sich der Skipper dann und wann durch ein unschuldiges Grinsen und die Feststellung, wie dumm es doch sei, immer die falschen Teile mit auf große Fahrt zu nehmen. Kostet ja auch immer nur einen halben Tag Arbeit – und der Möchtegernfuchs hat seine Ruhe, liegt in der Koje und schmökert.
Babs, unsere Galionsfigur, ficht das alles nicht an, sie liest und liest und liest. Und erfreut uns mit ihrer grenzenlosen Anmut.

Dienstag, 20.12., bei ruhiger See und 6-7 Beaufort Wind surfen wir durch die Nacht. Nicht selten verharrt die Logge bei 8 Knoten. Der Himmel ist größtenteils klar, leider taucht der Mond die Nacht wieder in taghelles Licht, sodass nicht alle Sterne zu sehen sind.
Bei gutem Wind machen wir ordentlich Strecke. Nur noch etwa 280 Seemeilen bis Kourou.
Einer der bisher heißesten Tage. Nirgends findet man Abkühlung. Schlafen ist nach wie vor schwierig, egal ob bei Nacht oder bei Tage.
Bedauerlicherweise ist unser Versuch, das GPS zu reparieren, nicht von Erfolg gekrönt. Ein entscheidendes Teil fehlt (s.o.). Zum Glück gib es ein zweites Gerät an Bord, außerdem noch mehrere Handempfänger. Ich frage mich, wie die alten Seefahrer ihre Ziele gefunden haben.
Nach einer ausgezeichneten Fischpfanne sitzen wir genudelt und abgeschlafft hier herum und hoffen darauf, dass der Abend etwas Abkühlung bringt.
Der Diesel röhrt zwischen den Achterkabinen – nur zur Stromerzeugung! Denn der Passatwind weht seit gestern sehr konstant.

Oh weh, oh weh, oh weh, da habe ich mir ja einen Fauxpas geleistet. Heiner ist ziemlich gekränkt, weil ich Dörtita als maroden Seelenverkäufer bezeichnet habe. Auch wenn ich mir sicher bin, dass Ihr versteht, wie ich das meine, möchte ich hier noch einmal klarstellen: ebenso wenig, wie Heiner ein mit Paddeln um sich schlagender Skipper ist, ist Dörtita ein maroder Seelenverkäufer. Ich verspreche, ich werde mich im Interesse objektiver Berichterstattung in Zukunft mäßigen.

Mittwoch, 21.12., abwechslungsreiche Nacht mit mehreren durchziehenden Fronten. Die sich ständig ändernden Windrichtungen zwingen uns zu entsprechenden Kursanpassungen, denn wir werden einen Teufel tun und nachts auf dem Vordeck rumturnen, um die Passatbesegelung umzubauen.
Wieder ein sehr heißer Tag. Die Butter schmilzt auf dem kurzen Weg von der Kühlbox bis zum Tisch vollständig, läuft aus der Butterdose in die Bilge und verteilt sich so im ganzen Schiff. Tee wird zubereitet, indem der Teebeutel einfach unter den Wasserhahn, aus dem bereits kochendes Wasser läuft, gehalten wird. Olaf ist sauer, weil die Fische, die er mühsam an Deck zerrt, bereits gekocht sind. Mit anderen Worten, der Atlantik ist im Moment eine einzige Bouillabaisse. Und wir mittendrin! Zum Glück wirkt sich die Hitze nicht auf unseren kühlen Verstand aus.
Wasser wird knapp, die Tanks sind bald leer (bisheriger Verbrauch: ca. 10ltr/Person/Tag). Kein Problem, wir müssen ja nur die Meerwasserentsalzungsanlage in Betrieb nehmen. Dazu muss der alte Schwede angeschmissen werden, mit dem wir aber eigentlich Strom erzeugen müssten. Denn Energie ist nach wie vor Mangelware an Bord. Beides gleichzeitig erfordert lange Laufzeiten. Im Moment wird darüber diskutiert, ob wir lieber bei Festbeleuchtung, mit laufenden Notebooks, Kühlboxen, Stereo-Anlagen und rund um die Uhr blasenden Haarföns verdursten oder uns im Dunkeln an dem kühlen Nass laben wollen. Zur Zeit steht’s 50:50.

Donnerstag, 22.12.,wieder werden wir von einigen Fronten eingeholt und zu Kurskorrekturen gezwungen. Heiner und Olaf haben das Glück, während der Nachtwache in großer Entfernung einen Raketenstart beobachten zu können. Wir können also nicht völlig falsch liegen mit unserer Navigation. Kurz darauf glaubt Babs, die erste Stufe am Nachthimmel verglühen zu sehen. Kourou ahoi!
Der Morgen beginnt mit Kommunikationsschwierigkeiten: Heiner reagiert auf Olafs Frage: „Sollschdeegochn“ mit einem hilflosen Schulterzucken: „Wat is los?“ Nach dem dritten verzweifelten Versuch, dem Skipper sein Anliegen nahe zu bringen, bittet Olaf Kurt um Übersetzungshilfe. Und schon ist alles klar.
Erfolgreichster Fang seit Beginn unserer Reise: Olaf fischt 3 Doraden und eine Königs-Makrele aus dem jetzt nicht mehr ganz so tiefen Wasser (um die 60m).
Tagsüber weht der Wind relativ konstant mit 4-6 Beaufort aus E/NE, zusätzlich werden wir von einem kräftigen Strom (1-2 Knoten) angeschoben, sodass wir voraussichtlich eher als geplant Französisch Guyana, resp. die Iles du Salut, eine Kourou vorgelagerte Inselgruppe, erreichen werden.
15.15 Uhr Ortszeit (MEZ – 4Std.): „Land in Sicht“, brüllt Olaf als erster. In der Tat sehen wir steuerbord voraus eine Erhebung aus dem Meer aufragen. Und je näher wir kommen, desto deutlicher zeichnet sich die Inselgruppe ab. Die Iles du Salut bestehen aus dem Hauptinselchen Ile Royal und den beiden Miniinseln Ile du Diable und Ile Saint-Joseph.
Gegen 18.00 Uhr werfen wir den Anker in einer Bucht vor der Ile Royal. Nach dem obligatorischen Ankunftsschluck aus der Rumbuddel werden Babs, Olaf und Peter verpflichtet, das Land zu erkunden. Also ab ins Dinghi und ordentlich gepullt. Nach wenigen Minuten machen wir an dem exotischen Eiland fest. Olaf hat Angst, seinen Fuß auf den fremden Boden zu setzen, weil er glaubt, bei der Ansteuerung der Insel gesehen zu haben, wie eine Gruppe Eingeborener um einen Kochtopf tanzte.
Ein erhebendes Gefühl, nach 16 Tagen auf See wieder Land zu betreten. Wir schwanken zwar ziemlich, aber nach ein paar Metern geht’s dann wieder. Am Ufer stehen einige flache Gebäude, die zum Teil Verwaltung, zum Teil die Wasser- und Energieversorgung zu beherbergen scheinen. Etwas höher gelegen sind inmitten von Palmen einige Wohnhäuser auszumachen. An dem ersten Tor wird angeklopft, die letzten Französischkenntnisse werden zusammengekramt und siehe da, es gelingt uns, einige wichtige Informationen zu ergattern: die wichtigste ist die, dass es hier nichts zu kaufen gibt, die zweitwichtigste, dass sich hoch droben auf dem Inselchen ein Restaurant befindet. Die folgende, ausgedehnte Bergtour endet nach 10 Minuten vor einem beeindruckenden Gebäude im Kolonialstil. Tatsächlich werden hier erlesene Speisen feilgeboten, allerdings erst am Abend. Wir begnügen uns mit einigen Dosen Bier zu 3 Euro das Döschen und schleppen die reiche Beute bei einbrechender Dunkelheit zurück zum Schiff.
Das anschließende Gelage mit entsprechenden Ausfällen soll hier nicht näher beschrieben werden.

Freitag, 23.12., wir verlassen gegen 10.00 Uhr unseren Ankerplatz und machen uns auf den Weg zum Festland. Von Kourou trennen uns nur etwa 9 Seemeilen. Die Ansteuerung erfordert wegen der geringen Wassertiefe schon einiges an Aufmerksamkeit. Zum Glück sind wir mit Kartenmaterial bestens versorgt: erst einen Tag vor unserem Abflug aus Deutschland ist die französische Seekarte „Approches de Kourou“, übers Internet in den USA geordert, in Oerel-Barchel eingetroffen. Nach der festen Überzeugung des Skippers hat sie unser aller Leben gerettet.
Wir fahren auf einem sich ebenfalls Kourou nennenden Flüsschen ein Stück landeinwärts und ankern vor einem Steg, an dem Fischer soeben ihre fette Beute entladen und zerlegen. Der Himmel zieht sich bedrohlich schwarz zu. Ein Bild, das uns schon nach einem halben Tag vertraut erscheinen wird. Immer wieder von strahlendem Sonnenschein unterbrochen, schieben sich dunkle Wolken über das Land und es schüttet binnen Sekunden wie aus Kübeln. Regenzeit in Französisch Guyana, wie wir am Abend erfahren.
Der erste Landgang ist eine kleine Enttäuschung, hatten wir doch eine blühende Metropole um die Raketenbasis herum erwartet. Stattdessen eine Ansammlung bescheidener Häuschen, einige Supermärkte, die meisten davon fest in chinesischer(!) Hand, jede Menge Cafés und Restaurants und eine gelassene, freundliche, vorwiegend schwarze Bevölkerung. Wir sind relativ weit entfernt vom Zentrum, so es ein solches überhaupt gibt. Und der Weltraumbahnhof liegt ohnehin jwd.
Der erste Großeinkauf wird tapfer durchgezogen. Eine irre Schlepperei, nicht nur, weil der Proviant für die nächsten Tage auf See gebunkert werden muss, nein, auch die bevorstehenden Weihnachtsfeiertagsfressorgien erfordern Unmengen an Rohstoffen. Verständigungsschwierigkeiten mit der chinesischen, französisch sprechenden Kassiererin werden bravourös in Mandarin gemeistert, was die gute Frau sichtlich erfreut.
Abends gönnen wir uns ein ausgezeichnetes Mahl in einem marokkanischen Restaurant, draußen sitzend, dennoch gut geschützt vor den herabstürzenden Wassermassen.
Schreck mitten in der Nacht: Heiner prügelt die Crew an Deck, alldieweil unser Schiffchen nicht mehr dort liegt, wo wir glaubten, es sicher vertäut zu haben. Der Anker hat sich aus dem Schlick befreit und lässt Dörtita flussabwärts gleiten, sachte zwar und netterweise zwischen den andern Ankerliegern hindurch, dennoch nicht ganz in unserem Sinne. Also, hoch mit dem eigenwilligen Eisen und erneute Suche nach haltbarem Untergrund.
Woran merkt man, dass man abdriftet? Der Skipper hat’s im Urin – hat eben anders geplätschert.
Leider quälen uns an Bord Myriaden von Moskitos, die während der Nacht aus uns fünf Weltenbummlern ansehnliche Streuselkuchen zaubern. Am nächsten Morgen wird gezählt, wer mit den meisten Beulen aufwarten kann. Ein Sieger ist jedoch nicht auszumachen, da wir bei 837.911 die Bestandsaufnahme abbrechen.

Samstag, 24.12., Anker auf gegen 11.00 Uhr, nachdem noch einmal Lebensmittel für fünf Kompanien in Dörtitas schier unendlichen Lagerräumen verstaut und mehrere hundert Liter Wasser (diesmal zum Glück per Schlauch) gebunkert worden sind. Wir verlassen Kourou, wie sollte es auch anders sein, bei Regen und peilen erneut die Iles du Salut an, um dort Heiligabend zu verbringen. Zwei Stunden später ankern wir wieder in vertrauter Umgebung. Und der Spuk mit dem heftigen Regen und den uns wohlgesonnenen Moskitos ist auch vorbei!
Ein mehrstündiger Rundgang über die Ile Royal, die früher als Gefängnisinsel gedient hat (hier soll auch Papillon gedreht worden sein), befriedigt unsere motorischen Bedürfnisse wie unsere kulturellen gleichermaßen.
Zur Belohnung gibt es dann am Abend ein von Babs und Kurt gezaubertes Menü, bestehend aus frischem Salat, frischem Fischfilet in Weißwein-Senf-Sauce und frischem Obstsalat. Köstlich, um nicht zu sagen, himmlisch.

Sonntag, 25.12.: Abschied von den Iles du Salut. Davor gönnen wir uns jedoch, nach einem entspannten Vormittag, ein weiteres Weihnachtsfestessen. Von unserem Smutje in stundenlanger Handarbeit gefertigte Kartoffelklöße werden zu gebratener Entenbrust und Apfel-Zwiebelgemüse gereicht. Ein kulinarischer Höhepunkt jagt den anderen. Wie soll das nur enden?
Gegen 15.00 Uhr nehmen wir dann Kurs auf Tobago. 305° werden wir in den nächsten Tagen steuern, das heißt, vorwiegend mit halbem Wind segeln.
Kaum sind wir aus der Abdeckung der drei Inseln heraus, legt Dörtita los. Bei etwa 5 Beaufort aus NE neigt sie sich leicht nach Backbord und fliegt über die Wellen. Wenn das so weiter geht, sind wir in drei Tagen am Ziel.
Der Wind bleibt auch über Nacht erstaunlich konstant und lässt uns verdammt schnell vorankommen.
Etwas anstrengend ist das ständige Segeln auf Backbordbug schon. Insbesondere die Benutzung der Steuerbordtoilette erfordert Geschick und Geduld. An die Verlagerung des Körpergewichtes auf die linke Gesäßbacke, bei gleichzeitigem Abstützen mit der linken Hand an der WC-Tür (was nur solange gut geht, wie ausnahmslos von allen die Grundregel des Anklopfens an die nicht verschließbare Tür der Nasszelle beherzigt wird) und fixieren des WC-Deckels mit der Rechten, unter Beachtung des begrenzten Spielraums des WC-Beckens für die bei einigen Benutzern frei schwingenden Extremitäten, gewöhnt man sich schnell. Leichter in Not gerät man bei dem verzweifelten Versuch, die einseitig eingelagerten Produkte mit der vorwiegend Luft saugenden – weil dem Meerwasser entrückten -Pumpvorrichtung in die Tiefen des Ozeans zu befördern.
Nicht weniger schwierig gestalten sich Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten. Schön ist es für einen Teil der Crew nur des Nachts: Babs liegt jetzt immer auf mir. Kurt und Olaf sind bezüglich der Bettlägerigkeit komischerweise anderer Meinung.

Montag, 26.12.: Heiner wird gegen Ende seiner Frühwache von einer spanischen Makrele durch ungeduldiges Zappeln an der nachgeschleppten Angelschnur aus dem Tiefschlaf gerissen. Allein hievt er das Fischchen an Bord. Als wir aus unserem süßen Schlummer erwachen, ist Kurt bereits damit beschäftigt, das gute Stück (nicht Heiner – den Fisch!) zu filettieren.
Dann wird zum Frühstück auf Backbordbug geblasen. Das bedeutet, Essen fassen an einem Frühstückstisch, der um eine Schräglage zwischen 15° und 35° pendelt. Konsequenz: Kaffee und Tee werden grundsätzlich über die Tassen hinausgegossen und sammeln sich in den Sitzpolstern (die dann allerdings später nach Bedarf – zum Beispiel während der Nachtwache – ausgelutscht werden können). Butter, Käse, Wurst und Marmelade sausen, indes man damit beschäftigt ist, die Milchtüte und seinen Teller festzuhalten, den Getränken hinterher und verteilen sich großflächig auf den zur Feier des Tages frisch gewaschenen Shorts. Damit die wertvollen Lebensmittel nicht auf dem Boden landen, kneift ein jeder reaktionsschnell die Beine zusammen. Wenn alles optimal läuft, fixieren die zum Schluss sich in Bewegung setzenden Messer die Salami dann im Oberschenkel. Gleichzeitig versetzt einem der Tischnachbar, in der guten Absicht, das im Sturzflug nahende Frühstücksei vor dem sicheren Zerschellen an einer gestählten Männerbrust zu retten, soeben mit seiner Rechten einen kräftigen Hieb in die Rippen.
Es gibt auch Crewmitgliederinnen, die wohlweislich die Nahrungsaufnahme im Cockpit, allein und an der frischen Luft, bevorzugen. Namen werden nicht genannt.
Um keine Langeweile aufkommen zu lassen, wird der Windgenerator noch einmal zerlegt und wieder eingebaut. Jetzt verweigert er sich vollständig.
Und Dörtita surft unbeirrbar Tobago entgegen.

Dienstag, 27.12., eine ruhige Nacht mit konstanten Winden, die beinahe den ganzen Tag anhalten. Heiß, zu heiß strahlt die Sonne und setzt die Crew weitgehend matt. Bis auf den Skipper. Auch wenn sein Nachname etwas anderes erwarten lässt: Heiner fällt nie matt.
Kurt opfert sich der Hitze zum Trotz und zaubert in der Pantry ein deliziöses Mahl. Lammkeule (entbeint!) mit Karotten, Auberginen und Kartoffeln wird am frühen Abend auf dem Cockpittisch kredenzt. Dazu empfiehlt der Küchenchef einen trockenen Roten. So speist man mitten auf dem Atlantik eben.

Mittwoch, 28.12., ganz anders hingegen diese Nacht: ein Tief nach dem anderen zieht über uns hinweg und bringt raue See und heftigen Wind mit sich. In Böen messen wir bis zu 38 Knoten, also 8 Beaufort. Und ständig ändert sich, das liegt nun mal in der Natur der Sache, die Windrichtung. Da wir die zur Segelanpassung notwendige Rumturnerei auf dem Vordeck nachts möglichst vermeiden wollen, versuchen wir es erst einmal mit Kursänderungen. Geht aber nur begrenzt, schließlich können und wollen wir ja nicht Slalom fahren.
Tagsüber wird’s zunächst nicht besser. Viel Wind und hohe Wellen erschweren nicht nur, wie bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, die Nahrungszubereitung, -aufnahme und -entsorgung, sondern führen, in Kombination mit ständigem Regen und dramatischer Abkühlung auf 26,4° C, auch zu Missstimmung in der Weichei-Fraktion.
Dafür kommen wir wenigstens flott voran.
Am Nachmittag dann wieder Sonne satt. Die See hat sich beruhigt, der Wind pustet gleichmäßig mit 5-6 Beaufort und gibt Dörtita die Sporen.

Donnerstag, 29.12., segeln wie im Bilderbuch: strahlender Himmel, blaue Wogen, phantastischer Wind. Unbeschreiblich schön (finden einige Unermüdliche an Bord)! Wir fliegen auf Tobago zu.
Gier nach allem, was sie auf hoher See nicht haben können, lässt die kindlichen Gemüter unruhig werden. Insbesondere der Heißhunger auf Schokolade, riesige Portionen Vanilleeis mit heißen Himbeeren, frisches Obst und eisgekühlte Getränke nimmt dramatische Ausmaße an. Die wenigen frischen Lebensmittel, mit denen wir uns bevorratet haben, müssen entweder innerhalb kürzester Zeit verwertet oder nach wenigen Tagen direkt ins Meer entsorgt werden. Freundlicherweise senden sie bei nicht rechtzeitiger Verarbeitung so unmissverständliche olfaktorische Signale aus, dass es nur in den ersten Tagen, mangels Erfahrung, zu Dissonanzen zwischen den Crewmitgliedern kommt, die meinen, durch lautstarke Diskussionen über das Verfallsdatum von Deo-Rollern das Geruchsproblem diskret aus der Welt schaffen zu können.
Schreck am Nachmittag: ein lautes Knackgeräusch, während der gesamte Haufen im Cockpit sitzt und sich an Dörtitas atemberaubenden Tempo durch die tosenden Atlantikwellen berauscht, lässt den Skipper zusammenzucken. Er eilt nach vorne und ruft: „Sch…“.
Das Baby-Stag (ein für die Stabilität des Mastes nicht ganz unwichtiges Drahtseil)
hat sich verabschiedet. Abfangen können wir die Kräfte durch das Kutter-Stag und ein nach vorn gespanntes Fall, zumindest provisorisch. Zum Glück sind es ja nur noch etwa 30 Seemeilen bis Tobago. Dort werden wir das zerfetzte Stag austauschen, denn Heiner hat, selbstverständlich, Ersatz an Bord.
Am frühen Abend haben wir endlich Land in Sicht. Die Ansteuerung im Dunkeln ist recht anspruchsvoll. Untiefen links und rechts unseres Ziels, der Hauptstadt Scarborough, und starke Strömung, sowie westliche Winde sind eine echte Herausforderung. Dummerweise stimmt die Befeuerung nicht mehr mit den Angaben in der Seekarte überein, was uns einen Moment lang etwas irritiert. Aber zehn wache Augen an Deck finden auch in fremder Umgebung, bei sonst sehr guten Bedingungen, sicher ihr Ziel. Um 23.15 Uhr Ortszeit fällt der Anker. Wir haben es geschafft, wir sind in der Karibik gelandet.

Freitag, 30.12., erster Landgang zum Einklarieren und Einkaufen. Heiner macht sich zusammen mit Olaf auf den Weg, um Schiff und Besatzung ordnungsgemäß bei der Hafenbehörde und beim Zoll anzumelden. Die Prozedur ist recht zeitaufwändig, vor allem deshalb, weil man dem Skipper gegenüber darauf besteht, jedes einzelne Crewmitglied persönlich vorgeführt zu bekommen. Also kehrt Olaf zurück zum Schiff und sackt den kläglichen Rest ein. Nach grobem Vergleich zwischen Passfoto und zugehörigem Antlitz erhält jeder seinen Einreisestempel, immerhin gebührenfrei. Dann marschieren wir zum Zoll. Dort werden die obligatorischen Zollerklärungen ausgefüllt und 37,- US-Dollar auf den Tisch geblättert. Jetzt sind wir offiziell eingereist und dürfen uns frei auf und um Tobago herum bewegen.
Einkaufen mit fünf Leuten, diese Erfahrung haben wir schon in Sal und Kourou gemacht, ist nicht ganz so einfach. Irgendwie kriegen wir es aber hin.
Die Atmosphäre in Scarborough ist stark. Alles wirkt beschwingt und locker (von der wohl überall auf der Welt ähnlich formalen und steifen Behördenatmosphäre mal abgesehen) und ein bisschen improvisiert. Aber nicht ärmlich, so wie in Sal. Die Fähigkeit, den Dingen ihren Lauf zu lassen, erscheint deutlich ausgeprägter als bei uns. Und, wie sollte es auch anders sein, Reggae, wohin die Ohren lauschen. Manche Kleinlaster scheinen ausschließlich dem Zweck zu dienen, überdimensionale Lautsprecher durch die Gegend zu kutschieren, aus denen ohrenbetäubend laute Musik schallt.
Die Menschen begegnen uns freundlich, wenngleich nicht unbedingt herzlich. Warum sollten sie auch, eingedenk ihrer wechselhaften Geschichte, in der die Weißen nicht gerade eine ruhmreiche Rolle gespielt haben.
Später ist Arbeitsteilung angesagt. Heiner, Kurt und Olaf haben den Nachmittag und Abend zur freien Verfügung, während sich Babs und Peter auf den Weg in den Süden der Insel, nach Crown Point, machen. Zum einen, um schmutzige Wäsche zu waschen (in einer Wäscherei), zum anderen, um endlich das Geschenk von Uschi und Volker in die Tat umzusetzen: die beiden waren so reizend, eine Nacht im Hotel inklusive Abendessen zu spendieren. Eine kurze Auszeit nach all den Strapazen in den letzten Wochen auf hoher See – eine großartige Idee (Details werden nach unserer Rückkehr exklusiv berichtet werden, an dieser Stelle schon mal 1000 Dank!).

Samstag, 31.12.: Weiterreise. Babs und Peter kehren zurück aus den Flitterwochen und finden sich, wie vom Skipper verlangt, um 10.30 wieder an Bord ein. Anker auf, lautet das Kommando schon kurz darauf. Wohin geht’s wohl? Richtig, nach Crown Point, weil dort eine oder vielleicht auch mehrere große Sylvesterparty(s) stattfinden soll(en). Scheint zunächst etwas bescheuert, hätten die beiden ja auch gleich dort bleiben können. War aber alles nicht so genau abgesprochen und außerdem soll Dörtita nicht einen einzigen Meter mit unvollständiger Mannschaft um die Insel surfen.
Nach zwei Stunden erreichen wir Crown Point. In der Bucht liegen nicht wenige Segler, die angekündigten Festivitäten scheinen anziehend zu wirken.
Angesichts des Klimas und der Kulisse will jedoch keine rechte Jahresendfeststimmung aufkommen. Wir schlurfen schon nachmittags mehr oder weniger lustlos durch die Gegend, auf der Suche nach einem dem Bordetat angemessenen Restaurant und den einschlägigen Partyhöhlen. Fehlanzeige. Hier und dort wird zwar für eine Sylvesterveranstaltung geworben, aber nix für uns. Weder wollen wir im Smoking gegrillten Hummer verspeisen, noch in einer abgewrackten Hütte am Strand die Sau rauslassen. Schließlich landen wir in einem mittelprächtigen Gartenrestaurant, vor dem – jawohl vor, nicht in – eine Steelband auftreten soll gegen Abend.
Bis dahin harren wir aus, mancher Cocktail fließt durch unsere Kehlen und spült die Snacks hinunter, die wir uns als Ersatz für das ausgefallene Abendessen leisten. Dann endlich tauchen sie auf, die Jungs und Mädels , die Schlagzeug und Fässern mitreißende Klänge zu entlocken vermögen. Sie haben’s einfach im Blut!
Gegen 23.00 Uhr machen wir uns auf den Rückweg zum Schiff, um dort mit einer Flasche Sekt das Neue Jahr zu begrüßen.
Hoffentlich wird’s besser als das letzte.

Sonntag, 01.01.06: Aufbruch nach Plymouth, zur nächsten Ankerbucht. Wieder heißt es nach einem Katerfrühstück (für einige von uns): Anker einholen. Nach nur wenigen Seemeilen unter Maschine entlang der Nordseite Tobagos lassen wir das Eisen erneut fallen und machen Station in einer einsamen Bucht bei Courland Point, in der außer uns nur noch ein Stahlsegler aus Holland liegt. Beim ersten Landgang entdecken Babs, Heiner und Olaf mit Hilfe eines Einheimischen, der dafür auch unmissverständlich die Hand aufhält, ein Restaurant, in dem sie die gesamte Besatzung der Dörtita zum Abendessen anmelden. Keine kulinarische Offenbarung, aber gute lokale Küche.
Die Abende sind nicht lang an Bord, der müde Haufen findet sich meistens schon relativ früh in den Federn wieder. Liegt wohl an der frischen Luft, der früh einsetzenden Dunkelheit und, nicht zuletzt, an den zahllosen Abenteuern, die es zu bestehen gilt und die offenbar ihren Tribut fordern.

Montag, 02.01.06, gegen Wind und Welle in Richtung Nordosten. Bei Windstärken bis zu 8 Beaufort stampft Dörtita tapfer durch die See. Unter Maschine, denn unter Segeln müssten wir aufkreuzen und das will der Skipper seiner schlappen Crew nicht zumuten. Eine echte Achterbahnfahrt. Traumhaft! Solange man nicht selbst am Ruder stehen muss, tun selbst die immer wieder heftig auf uns nieder prasselnden Schauer dem Vergnügen keinen Abbruch – finden einige. Und es wallet und siedet und brauset und zischt, wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt…
Die Buchten, die wir eigentlich ansteuern wollen, kommen als Ankerplatz nicht in Frage, weil bei dem herrschenden Wind zuviel Schwell uns die Nachtruhe vergällen würde. Also beschließen wir, uns bis nach Charlotteville durchzukämpfen, der am weitesten im Norden der Insel gelegenen Ortschaft.
Hier liegen wir nun, in einer traumhaften Bucht, optimal geschützt gegen Wind und See. Die Kulisse ist unbeschreiblich schön. Deshalb sind wir hier auch nicht ganz alleine, aber von Massenansturm kann noch lange nicht die Rede sein. Der erste Landeversuch mit dem Dinghi scheitert, weil ein männliches Mitglied des Spähtrupps, bestehend aus Babs, Olaf und Peter, beim Anlanden am Strand ins Wasser plumpst. Wieder zurück pullen, trockene Sachen einpacken, wieder an Land pullen und wieder… Dieses Mal erwischt es Olaf, der zu spät aus dem Dinghi hüpft und sich daher einer unfreiwilligen Unterbodenwäsche durch die nächste Welle unterziehen muss. Wäre ja alles nur halb so wild, bestünden da nicht unterschiedliche Auffassungen über die Schuld an dem Malheur zwischen den Hauptakteuren Olaf und Peter. Die den beiden angeborene Gelassenheit und ihre ausgeprägte Harmoniesucht ermöglichen es glücklicherweise, das Missgeschick schon nach wenigen Stunden in Vergessenheit geraten zu lassen.
So malerisch die Ortschaft sich von See aus gibt, so wenig hat sie für Touristen zu bieten. Zwar finden sich im Nu drei Internetcafés, aber die Einkaufsmöglichkeiten sind mehr als bescheiden. Das, was hier als Supermarkt bezeichnet wird, würde bei uns nicht einmal als Tante-Emma-Laden durchgehen. Immerhin finden wir frisches Obst und Gemüse und ein paar kalte Getränke. Die wichtigste Entdeckung ist zweifelsohne, dass es wider Erwarten eine Busverbindung nach Scarborough gibt, wo wir vor unserer Weiterreise nach Grenada wieder ausklarieren müssen. Uff, damit fällt uns ein Stein vom Herzen. Ohne diese Landverbindung hätten wir um die Nordspitze der Insel herum noch einmal in die Hauptstadt segeln müssen.
Kurz vor der Rückkehr zum Boot stoßen Heiner und Kurt überraschend zu uns, die an Land geschwommen sind und das Dinghi entführt haben, um es dann zum Landesteg im Ort zu bugsieren. Bevor wir uns alle fünf wieder ins Beiboot stürzen, genehmigen wir uns in einer bescheidenen Trinkhalle noch einen Sundowner. Olaf und Peter fällt die ehrenhafte Aufgabe zu, das zwar aufgeblasene, mit fünf Personen jedoch an seine Beladungsgrenzen stoßende Gummigefährt zurück zu paddeln. Mit der mittlerweile auflandigen, starken Strömung kommen sie allerdings nicht so recht klar, wobei abermals unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Verantwortlichkeit für den schlangenförmigen, eher rückwärts gerichteten Kurs vertreten werden. Die äußerst ruhig und sachlich geführte Diskussion führt nicht nur dazu, dass sich die übrigen drei vor Begeisterung auf die Schenkel klopfen, nein das Dinghi steuert unterdessen in Kreiselbewegungen zurück ans Land und droht in der Brandung zu kentern. In allerletzter Sekunde nimmt sich die Besatzung eines mit Außenborder versehenen Schlauchbootes der Beinahe-Schiffbrüchigen an und schleppt den Havaristen unter Aufbietung aller Zweitaktreserven zum Mutterboot.
Chili con Carne, in Nullkommanix gemeinschaftlich auf den Tisch gezaubert, ist die Belohnung für die heroische Bewältigung der Strapazen dieses aufregenden Tages.

Dienstag, 03.01.: Kurzurlaub in der Traumbucht. Beinahe hätte ich vergessen zu erwähnen, dass diese wunderschöne Bucht einen ungeheuer poetischen Namen trägt: „Man of War“. Dunkle Wolken hängen fast den ganzen Tag am Himmel. Ab und an gießt es von einem Moment zum anderen in Strömen, sodass man stets ein Auge auf die weit geöffneten Deckluken haben muss.
Am Nachmittag begeben sich Babs, Olaf und Peter auf eine Expedition in den Dschungel. Mehrere Stunden kämpfen sie sich durch teilweise unwegsames Gelände, stehen hochgiftigen Schlangen Auge in Auge gegenüber, legen Grizzlybären flach und reiten schließlich auf Alligatoren zurück ins Dorf. Dort wird zusammen mit dem Rest der Crew fürstlich zu Abend gespeist. Beim Zurückpaddeln dürfen Peter und Olaf auf Anweisung des Skippers nicht mehr an die Riemen…

Mittwoch, 04.01., ausklarieren in Scarborough. Mit einem (nicht klimatisierten!) Bus geht es Serpentinen rauf und runter, durch pittoreske Landschaften, bis schließlich nach anderthalb Stunden die Hauptstadt zu Füßen liegt. Und der ganze Spaß kostet nur 8,- TT (~ 1,10 EUR) pro Nase. Ausklarieren, einkaufen, zurückfahren. Nur Peter darf nicht teilnehmen an dem Ausflug, wegen einer Unstimmigkeit mit Montezuma.
Gegen 15.30 dann verlassen wir Tobago. Carriacou, ein nordöstlich von Grenada gelegenes Eiland, ist unser nächstes Etappenziel. Entfernung: etwa 80 Seemeilen.

Donnerstag, 05.01., nach einer äußerst ruhigen und ziemlich flotten Nachtfahrt sichten wir  bereits am frühen Morgen gegen 5.00 Uhr Land. Die Ansteuerung von Carriacou erfordert Aufmerksamkeit und Erfahrung, wie ab jetzt überall in der Karibik, wegen der zahllosen Korallenriffe. Bei günstig stehender, das heißt von hinten einfallender Sonne lassen sie sich dicht unter der Wasseroberfläche ausmachen. Sich hier ausschließlich auf elektronische Navigation zu verlassen, wäre äußerst fahrlässig. Zum Glück sind wir mit einem alten Hasen unterwegs, der jede Koralle persönlich zu kennen scheint.
Nach dem Einklarieren in Hillsborough fahren wir ein paar Meter zurück bis Sandy Island – eher ein aufgeschüttetes Sandbänkchen denn eine Insel. Und hier sieht es so aus, wie klein Fritzchen sich die Karibik vorstellt: blaues bis grünes, kristallklares Wasser und weißer Strand. Nur die Palmen fehlen, denn die wurden beim letzten Hurrikan von dem Inselchen gefegt. Muss Fritzchen sein Bild eben korrigieren oder aber so lange weitersuchen, bis Vorstellung und Wirklichkeit übereinstimmen.
Ankerposition: N 12° 29, 05’  W 061° 28,90’
Wir bleiben eine Nacht vor Anker liegen und genießen mit einigen wenigen anderen Segelbooten, vorwiegend gecharterten Katamaranen, die himmlische Ruhe.

Freitag, 06.01., zunächst ein Abstecher in die Tobago Cays, zum Inselchen Jamesby, dann Lobster-Buffet auf Union Island stehen heute auf dem Programm. Nur Katzensprünge von einander entfernt, buhlen hier die Inselschönheiten um die Gunst der mehr oder weniger betuchten Yachties. Von den besonders Wohlhabenden tummeln sich in dieser paradiesischen Umgebung nicht wenige. Dörtita erreicht oft nicht einmal die Größe der Beiboote so mancher in der karibischen Sonne dümpelnder Luxusyacht. Da sieht man mal wieder, wie weit man’s bringen kann, wenn man immer schön fleißig arbeitet.
Vor Jamesby liegen wir einen halben Tag vor Anker (N 12° 37,8’  W 061° 21,55’) und geben uns ausschweifenden Vergnügungen hin. Babs will gar nicht mehr weg von hier, so traumhaft findet sie die Umgebung. Und auch Fritzchen ist endgültig am Ziel seiner Träume angelangt. Heiner und Olaf schnorcheln stundenlang. Heiner stellt allerdings enttäuscht fest, dass die meisten Korallenriffe tot sind. Hat sich leider viel verändert, seit er vor sieben Jahren das erste Mal hier war.
Nachmittags servieren Peter und Kurt Kaffee und selbstgebackenen Zitronenkuchen am Strand. Schutz vor der sengenden Sonne bietet dem Kaffeekränzchen das senkrecht stehende, auf die Paddel gestützte Schlauchboot. Irgendwann heißt es dann doch Abschied nehmen von der Idylle. Union Island soll auf jeden Fall noch vor Einbruch der Dämmerung erreicht werden.
Dort werden wir kurz vor dem Landfall von einem Einheimischen in Holzschaluppe begrüßt, der uns zu einem Steg vor einem Restaurant namens „Lambi“ dirigiert, das abends mit einem fürstlichen Buffet aufwarten soll. Lange Gesichter, als wir erfahren, dass es leider keinen Lobster gibt. Auf den haben wir uns doch so gefreut!
Dafür machen neben uns am Steg und etwas weiter draußen drei Katamarane fest, bevölkert mit italienischen Schönheiten, die ebenfalls das Buffet stürmen wollen. Ein lauter Abend, der uns tiefe Einblicke in italienische Abendgarderobe und in italienische Freizeitkultur gestattet. Das Buffet ist in Ordnung, reicht allerdings an unsere Bordküche bei weitem nicht heran.

Samstag, 07.01., weiter geht’s mit dem Inselhopping. Vor dem Auslaufen wird Wasser gebunkert, zu 50 Cent EC (East Caribbean, 3,3 EC ~ 1,- EUR) für 10 Gallons (1 Gallon ~ 4 Liter). So heißt es jedenfalls vor dem Füllen der Wassertanks. Als es ans Bezahlen geht, stellt sich heraus, dass 1 Gallon 50 Cent kosten soll, also das zehnfache dessen, was uns nach mehrfacher Nachfrage als Preis genannt worden war. Endlose Diskussionen haben immerhin zum Ergebnis, dass man zwar zugibt, sich bei der Einheit geirrt zu haben, jedoch ändert das nichts daran, dass der hohe Preis selbstverständlich zu zahlen ist. Wir zahlen auch, weil wir wissen, dass das Wasser hier tatsächlich teuer ist.
Ein kurzer Schlag unter Segeln Richtung Süden bringt uns nach Petit St. Vincent. Auf Position N 12° 32,057’ und W 061° 23,054’ lassen wir den Anker fallen. Wieder liegen wir in leuchtend türkisblauem Wasser vor einer weiteren Inselschönheit, die mit einer ausgedehnten Bungalowanlage und sogar einem Golfplatz aufwarten kann. Vom Wasser aus ist davon allerdings nichts zu sehen. Baden, schnorcheln, ausruhen, lesen und den Tag mit einem opulenten Mahl beschließen: das Leben ist manchmal furchtbar anstrengend.

Sonntag, 08.01., kurzer Abstecher nach Mopion, dann nach Little Martinique, bevor wir Kurs auf die Tyrrel Bay, im Südwesten von Carriacou nehmen.
Mopion ist ein winziges Eiland, von etwa 40 m Länge und 20 m Breite, das sich einen halben Meter aus dem Wasser erhebt (Ankerposition: N 12° 32,658’  W 061° 23,758’).
Mitten drauf steht ein Sonnenschirm aus Palmenblättern. Einmal hinüberschwimmen und staunen, dann zurückschnorcheln, das reicht.
Anschließend geht es weiter nach Little Martinique, wo wir für einen ausgedehnten Spaziergang in der sonntäglichen Mittagshitze den Anker auf Position: N 12° 31,529’ und W 061° 23,289’ fallen lassen. Tote Hose, soweit das Auge reicht. Wir genehmigen uns einen Drink und pullen zurück zum Boot.
Gegen 16.30 Uhr landen wir dann in der Tyrrel Bay. Auch hier is nix los am frühen Sonntag Abend. Seltsam, immerhin liegen hier außer uns noch einige Yachten vor Anker. Ich hätte wesentlich mehr Trubel zu dieser Zeit erwartet.
Ankerposition:  N 12° 27,474’  W 061° 29,109’
Kurt zaubert mit Heiners Hilfe deliziöse Knoblauch-, Thunfisch-Sardellen- und Tomaten-Zwiebelbrote.

Montag, 09.01., endlich mal wieder ein längerer Schlag unter Segeln. Kurz vor 9.00 Uhr brechen wir auf nach Grenada, etwa 30 Seemeilen liegen vor uns. Und die bewältigen wir an diesem Bilderbuch-Segeltag im Fluge. Unter gnadenlos sengender Sonne, bei gut 6 Beaufort Wind und rollender See von schräg achtern kommt richtiges Kanonenrittgefühl auf. Echt geil schön!
Nach nur fünf Stunden liegen wir in der Lagune vor St. George’s, der Hauptstadt von Grenada. Eine beeindruckende Kulisse, wenn auch überall noch die Spuren des vor anderthalb Jahren hier durchgefegten Hurrikans Ivan zu sehen sind. Viele abgedeckte Häuser und das eine oder andere am Ufer liegende Wrack lassen die Verwüstung allerdings nur noch erahnen, die er über die Insel, die immerhin 40 Jahre von Wirbelstürmen dieser Kategorie verschont geblieben war, gebracht hat.
Dörtita tänzelt dicht am Ufer um ihren in nur vier Meter Tiefe liegenden Anker auf Position: N 12° 02,720’  W 061° 44,793’.
Ein erster Landgang führt zum Marineausrüster, wo Heiner einen neuen Außenborder bestellt. Und wann soll der geliefert werden? Richtig, am kommenden Freitag, wenn wir bereits am Flughafen Trübsal blasen. Wichtig war dem Skipper nur, dass das Triebwerk rechtzeitig zur Ankunft der neuen Crew einsatzbereit ist. Wir werden uns hüten, an dieser Stelle irgendwelche wilden Spekulationen anzustellen. Heiner wird schon wissen, was er tut. Dennoch würde uns interessieren, was Manfred und Ingrid, unsere Nachfolger, haben, was wir nicht bieten können? Ob sie vielleicht besser zahlen? Oder einfach netter sind? Oder schlauer? Oder aufmüpfiger? Oder unsportlicher? Ist das möglich?
Dann werden in einem Supermarkt, der seinem Namen alle Ehre macht, Lebensmittel eingekauft. Unser Smutje beglückt uns noch vor dem abendlichen Erkundungsrundgang mit Paella.
Auch hier, in der Inselhauptstadt, tobt um diese Zeit nicht gerade das Leben. Aber, dass nachts die Bürgersteige hoch geklappt werden, hat uns schon der Reiseführer verraten. Wir wundern uns also nicht, laufen einmal um den Hafen, wagen einige Schritte in die Altstadt und kehren nach einem Drink zum Schiff zurück. Der Abend findet mit einer Diskussion über den Sinn des Daseins einen würdigen Ausgang.

Dienstag, 10.01., Einkaufsbummel in St. George’s und Aufbruch zur Prickly Bay.
Gleich um die Ecke, auf der Südseite Grenadas, erwartet uns jene Bucht, in der Ivan ausnahmslos alle an Land stehenden Yachten durch die Luft gewirbelt haben soll. Seitdem ist es schwierig mit dem Versicherungsschutz geworden.
Ankerposition: N 11° 59,933’  W 061° 45,605’

Mittwoch, 11.01., die Crew geht getrennte Wege. Heiner, Kurt und Olaf brechen zu einer Inseltour auf, Babs und Peter hüten das Schiff.
Noch zwei Tage bleiben uns im Segelparadies.